Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Geduld.
Zunächst mal gibt es einige Symptome bei denen ich Sie gerne beruhigen möchte, da sie an sich keinen Krankheitswert haben, sondern bei fast allen Menschen mehr oder weniger ausgeprägt vorkommen:
- Pickelchen auf dem Rücken: am Rücken sind die Hautporen größer, viele Menschen haben hier gelegentlich auch unter Pickel(che)n zu leiden. Solange sich die Pickelchen in vernünftigen Grenzen halten, sich nicht stark entzünden oder Abszesse bilden brauchen Sie keine spezielle Behandlung. Die Beschwerden bessern sich häufig mit zunehmendem Alter.
- rosa-bläulich kariert verfärbte Haut (sogenannte marmorierte Haut): dieses Phänomen kann man beobachten wenn man aufgeregt ist oder friert und der Körper die Kapillaren in der Haut eng stellt. Wie Sie beobachtet haben, verschwinden diese Verfärbungen komplett, wenn die Haut an diesen Stellen wieder normal durchblutet wird. Hier handelt es sich um physiologische Regulationsphänomene des Körpers.
- Gelenkknirschen oder -knacken ohne Schmerzen: Manchmal knirschen Gelenke etwas. Das kann an einer zurückliegenden Überlastung liegen oder einer kleinen Verletzung liegen oder auch einfach so einmal auftreten. Solange keine Schmerzen damit verbunden sind und die Funktion des Gelenks nicht eingeschränkt ist, ist keine weitere Diagnostik nötig. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, dass Ihre Wirbel brechen, diese Knochen sind sehr stabil und auf Dauerbelastung ausgelegt.
- Viel Schlafen: Gerade junge Leute können ohne Probleme sehr lange schlafen, zum Beispiel 12-14 Stunden wie bei Ihnen. Hier hilft ein guter Tagesrhythmus und feste Zeiten zum Schlafengehen und Aufstehen. Zur Schlafhygiene gehört auch, abends möglichst keine Bildschirme mehr zu benutzen. Sie werden merken, dass sich Ihr Körper schnell auf einen guten Rhythmus einstellt, wenn Sie diesen vorgeben.
- hervorstehende Rippen: Die 10. Rippe ist häufig freistehend (genau wie die Rippen 11 und 12). Wenn man etwas an Gewicht verliert (so wie Sie), kann sie deutlicher hervorstehen. Der direkte Druck auf Knochen ist sehr schmerzhaft, da die Knochenhaut sehr sensibel ist. Auch laufen hier Hautnerven entlang, was die Missempfindungen erklärt, die Sie über den Druck auf diese Stellen auslösen können. Unser Körper ist nicht perfekt symmetrisch. Deshalb ist es nicht bedenklich, wenn diese Rippe nur auf einer Seite zu sehen ist. Auf einem der Fotos konnte ich die fragliche Rippe gut erkennen. Ich habe ähnliche Befunde schon häufig bei schlanken Patienten gesehen.
- Die einseitig geschwollene Mandel: solange die Mandeln nicht entzündet sind (damit sind immer Schmerzen verbunden) hat ein Größenunterschied keinen Krankheitswert.
- Unterschiedlich große Brustmuskeln: Ich gehe mit Ihrer Hausärztin einig, dass die bemerkte Schwellung einfach unterschiedlich ausgeprägte Muskulatur war. Die Erklärung ist wahrscheinlich in der Art Ihrer Tätigkeit zu finden. Ich kann mir gut vorstellen, dass Sie die linke Körperseite vermehrt einsetzen müssen und daher hier auch mehr Beschwerden haben.
- Ihre Knie, Brust und Finger sehen auf den Fotos vollkommen normal aus.
- Ihre Körpertemperatur ist normal.
Daneben gibt es einige Beschwerden, die Sie nochmal gezielt beim Arzt ansprechen sollten, damit abgeklärt werden kann, dass hier auch keine gefährlichen Ursachen vorliegen:
- Tremor: alle Menschen haben einen physiologischen leichten Tremor. Durch Anspannung oder vorhergehende körperliche Belastung/Arbeit kann sich dieser Tremor verstärken und sichtbar werden. Eine kurze Untersuchung beim Arzt kann sicherstellen, dass es sich bei Ihnen um einen physiologischen Tremor handelt und nicht um eine andere Art Tremor.
- Rücken-/Nackenschmerzen. Ein wichtiger Grundsatz in der Therapie lautet: ein starker Rücken kennt keinen Schmerz. In der Regel sind Schmerzen an der Wirbelsäule muskelbedingt und lassen sich, solange sie nicht chronisch sind, gut mit gezieltem Training behandeln. Eine kurze Untersuchung (sofern noch nicht erfolgt) kann ausschließen, dass es sich hier um schlimmere Probleme handelt. Falls es "nur" muskuläre Probleme sind, die zu den gelegentlichen Schmerzen führen, wird Ihnen ein Rückentraining sehr helfen. Am besten lernen Sie einige einfache Übungen, die Sie regelmäßig zuhause durchführen können.
- Die Missempfindungen/das Kribbeln könnte mit den muskulären Problemen an der Wirbelsäule zusammenhängen. Eine andere häufige Ursache für Kribbelempfindungen bei jungen Menschen ist Hyperventilation. Durch tiefes Ein- und Ausatmen (in der Regel unbewusst) wird vermehrt Kohlenstoffdioxid abgeatmet. Im Körper entsteht kurzfristig eine Alkalose (das Blut ist zu basisch), was sich mit Kribbelparästhesien bemerkbar machen kann. Beobachten Sie sich beim nächsten Mal ganz genau: kann es sein, dass Sie in diesen Situationen unbewusst sehr tief ein- und ausatmen? Zur Sicherheit kann eine neurologische Untersuchung bei Ihrer Hausärztin mit einfachsten Mitteln klären, ob es sich hier im ein tiefergehendes Problem handelt.
- Gelenkschmerzen: Sie haben wechselnde Schmerzen an unterschiedlichen Gelenken ohne Schwellungen bemerkt. Da die Beschwerden nur leicht ausgeprägt sind und auch nur flüchtig auftreten denke ich nicht, dass sich hier ein größeres Problem verbirgt. Allerdings würde ich empfehlen nochmal alle betroffenen Gelenke genau von Ihrer Hausärztin untersuchen zu lassen.
- Den Gewichtsverlust würde ich zunächst mal im Auge behalten. Sollten Sie weiter an Gewicht verlieren, wäre das auch nochmal etwas, was Sie mit Ihrer Hausärztin besprechen sollten.
- Nachtschweiß: Hier ist gemeint, nachts so stark zu schwitzen, dass man aufwacht und den Schlafanzug wechseln muss. Falls Ihnen so etwas wiederholt auffällt, sollten Sie das auch bei Ihrer Ärztin ansprechen.
- Das hängende Augenlid: für mich sieht es so aus, als ob das eine leichte Gesichtasymmetrie bei Ihnen ist. Es fällt auf, dass die Iris zu beiden Teilen gleichmäßig vom Augenlid bedeckt ist. Wenn eine muskuläre Schwäche am Augenlid vorläge, würde ein Augenlid tiefer in die Iris und Pupille hängen. So sieht es aus, als ob links die Augenbraue einfach etwas höher liegt als rechts. Ich empfehle auch dieses Symptom bei Ihrer Hausärztin anzusprechen. Auszuschließen wäre, dass es sich um eine Ptosis muskulärer oder neurologischer Ursache handelt. Hilfreich könnte hier ein Bild im "Normalzustand" und ein Bild mit maximaler Befundausprägung sein, damit man einen guten Vergleich hat.
- Der schuppige Hautausschlag um die Augen könnte mit einer Pilzinfektion zusammenhängen. Das sollten Sie nochmal ansehen lassen.
Im Moment sehe ich keinen Indikation für weitere Diagnostik wie Blutuntersuchungen, Urinstatus oder bildgebende Verfahren. Je nach Ergebnissen aus der körperlichen Untersuchung der oben genannten Beschwerden ergibt sich aber vielleicht noch die Notwendigkeit einzelner weiterführender Untersuchungen.
Bedenken Sie bei Untersuchungen auch immer folgendes: es gibt keine Untersuchungen in der Medizin, die 100%ige Antworten liefern. Ergebnisse müssen immer im klinischen Gesamtzusammenhang interpretiert werden. Falsch-positive oder falsch-negative Ergebnisse sind bei jeder Untersuchung möglich. Das Risiko dafür kann vermindert werden, indem nur wirklich notwendige Untersuchungen für einen Patienten angefordert werden. So ein Vorgehen spart Kosten und viele unnötige Sorgen beim Patienten (und auch beim Arzt). Ihre Hausärztin macht hier aus meiner Sicht erst mal alles richtig. Schade ist, dass Sie Ihnen nicht vermitteln konnte, dass Sie Ihre Beschwerden ernst nimmt und nicht einfach abtut.
Grundsätzlich denke ich, dass etwas körperliches Training Ihnen sehr gut tun würde und die Beschwerden deutlich verbessern könnte. Fangen Sie mit leichtem Training an und steigern Sie vorsichtig die Intensität ohne sich zu überlasten oder zu übertreiben. Neben gezielten Kraftübungen empfehle ich Ihnen auch Ausdauertraining wie z.B. Radfahren oder Schwimmen. Bei diesen Sportarten schonen Sie Ihre Gelenke und müssen keine Verschlimmerung der Beschwerden befürchten. Für den Anfang können auch einige Kurse unter Aufsicht hilfreich sein, damit Sie gute Übungen lernen und sie fehlerfrei ausführen können.
Noch ein paar Tipps zum Vorgehen bei Ihrer Hausärztin:
- offensichtlich hat Ihre Hausärztin Sie schon in eine gewisse Schublade eingeordnet. Eine Möglichkeit für eine frische Meinung wäre den Arzt zu wechseln. Auf der anderen Seite kennt Sie sie bereits und Sie haben ein gewisses Verhältnis aufgebaut.
- Falls Sie der Einschätzung Ihrer Ärztin absolut nicht mehr vertrauen oder sich nicht ernst genommen fühlen, sollten Sie den Arzt wechseln. Ein Vertrauensverhältnis ist die Grundlage für eine gute Arzt-Patientenbeziehung. Ein neuer Arzt wird wahrscheinlich nichts grundsätzlich anderes über Ihre Beschwerden sagen, aber vielleicht kann er Ihnen besser vermitteln, warum die Beschwerden nicht bedenklich sind. Die Entscheidung liegt natürlich letztlich bei Ihnen.
- Falls Sie sich entscheiden, Ihre Hausärztin zu behalten, wäre es gut mit einer schriftlichen Liste zu Ihr zu gehen, welche Beschwerden Sie gerne abklären möchten. Machen Sie einen Termin, damit Ihre Ärztin etwas Zeit für Sie hat und nicht gehetzt ist. Zeigen Sie sich offen für die Möglichkeit, dass Ihre Beschwerden keine schwerwiegendere Ursache haben, aber bestehen Sie auf eine gründliche körperliche Untersuchung (das sollte auf jeden Fall drin sein). Sie dürfen auch nachfragen, warum Ihre Ärztin keine weiterführende Diagnostik machen möchte. Lassen Sie sich Ihre Überlegung erklären, Sie hat sicherlich gute Gründe für ihre Entscheidung.
Ich hoffe, diese Übersicht hilft Ihnen etwas, die Beschwerden besser einzuordnen und vielleicht helfen ja auch die Tipps für die nächste Vorstellung bei Ihrer Ärztin. Für weitere Fragen diesbezüglich stehe ich gerne zur Verfügung.
Herzliche Grüße,
Ihr Dr. med. M. Metzger