Sehr geehrter JustAnswer-Nutzer,
vielen Dank, ***** ***** sich mit Ihrer Anfrage an JustAnswer gewandt haben.
Als Tierärztin bin ich seit 2010 auf das Fachgebiet Tierverhaltenstherapie spezialisiert und betreibe auch in München eine tierärztliche Fachpraxis für Verhaltensmedizin. Gerne möchte ich Ihnen mit meiner Einschätzung weiterhelfen.
Gerade Aggressionsprobleme von Hunden, bei denen schon ein Mensch zu Schaden gekommen sind, gehören dringend behandelt und in die Hände eines erfahrenen Hundetrainers oder eines erfahrenen Tierarztes für Tierverhaltenstherapie. Eine Fernberatung kann eine Behandlung vor Ort nicht ersetzen, da die genauen Ursachen herausgefunden werden müssen. Erst anhand einer ausführlichen Anamnese kann die Diagnose gestellt werden und das Training auf den individuellen Hund und Ihre häusliche Situation abgestimmt werden.
Aggressives Verhalten wird zunächst in defensives und offensives Verhalten differenziert. Offensiv aggressive Tiere verteidigen z.B.eine Ressource, die defensive Aggression dient dagegen der Selbstverteidigung. So gehört z.B. Aggression gegen Menschen, die sich dem Hund nähern oder ihn streicheln möchten, oftmals in den Bereich „Distanzierungsaggression“. Dabei werden Menschen, die in die Sicherheitsdistanz des Hundes eindringen, durch Drohung (Bellen, Knurren, Anstarren, Scheinangriff) oder einen tatsächlichen Angriff (Biss) vertrieben. Flucht wäre eine weitere mögliche Reaktion bei Unterschreitung der Sicherheitsdistanz. Hunde lernen jedoch sehr schnell, dass oft keine Flucht möglich ist (Leine, Zimmer). Aggression wird damit zur einzig möglichen Lösung und schnell instrumentalisiert, d.h. dann auch in Situationen eingesetzt, in denen theoretisch Flucht möglich wäre. Wird die Sicherheitsdistanz trotz Drohung unterschritten, kann es zu plötzlich unerwarteten Angriffen kommen (Angstaggression). Sehr häufig beginnt Distanzierungsaggression in der Jugend / im frühen Erwachsenenalter. Mangelnde Sozialisierung ist z.B. ein häufiger Grund für diese Form der Aggression. Neben Distanzierungsaggression und/oder mangelnder Sozialisierung können Aggressionsproblemen aber auch viele andere Ursachen und Diagnosen zugrunde liegen. Ich denke hierbei z.B. an Hyperaktivitätsstörung, impulsive Persönlichkeitsstörung, territoriale Aggression, Aggression zur Verteidigung einer Ressource (z.B. ein Ball oder auch Sie als Besitzer), Phobien, Angststörungen, Deprivationssyndrom, hierarchiebezogene Störungen, usw. Auch genetische Ursachen sind denkbar oder zugrunde liegende medizinische Probleme (Epilepsie, Schmerzen, Blindheit/Taubheit, ZNS-Erkrankungen, bestimmte Medikamente, …)
Therapie, Training und Prognose richten sich bei Aggressionsproblemen immer nach den zugrundeliegenden Ursachen und Diagnosen. Auch die Gefährlichkeit des Hundes ist für die Therapie zu beurteilen. Die Therapie wird immer aus viele verschiedene Maßnahmen bestehen. Speziell wird natürlich der Grundgehorsam trainiert (immer auf Basis positiver Bestärkung), die Aggression muss entschärft werden und die Kommunikation mit dem Hund muss in aller Regel verändert werden. Hinzu kommt das spezielle Training zum Umgang mit der Aggression und zur Vermeidung von Aggression. Liegt z.B. eine Angststörung zu grunde wird sicherlich auch eine Gegenkonditionierung und/oder eine systematische Desensibilisierung nötig sein. Die Zusammenarbeit mit einer erfahrenen Person vor Ort ist daher unbedingt nötig.
Da Ihr Hund bereits einen Menschen verletzt hat, sind in jedem Falle Maßnahmen zur Bissprävention nötig, um eine erneuten Verletzung eines Menschen zu verhindern. Ihrem Hund muss daher künftig und bis auf weiteres in jeder Situation, in der ein Mensch gefährdet wird, vorab bereits einen Maulkorb angelegt werden. Hierzu sind keine Schlingenmaulkörbe geeignet sondern es muss ein stabiler Gittermaulkorb sein, durch den Ihr Hund auch hecheln kann.
Abhängig von der Ursache des Problems kann auch eine vorrübergehende medikamentöse Behandlung nötig sein. Speziell auch aus diesem Grund empfehle ich Ihnen, sich mit einem Tierarzt für Tierverhaltenstherapie in Verbindung zu setzen. Sie finden auf der Homepage der Gesellschaft für Tierverhaltensmedizin und -therapie (GTVMT) eine Liste mit spezialisierten Tierärzten. Vielleicht ist einer der Kollegen in Ihrer Nähe, so dass Sie einen Termin vor Ort vereinbaren können.
Auch wenn ich Ihnen daher nun leider kein genaues Training empfehlen kann, hoffe ich Ihnen dennoch ein wenig weitergeholfen zu haben. Ich wünsche Ihnen und Ihrem Hund alles Gute und dass Sie eine Lösung finden. In jedem Fall wünsche ich auch der verletzten Person eine schnelle Genesung.
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Beste Grüße
Matina Raisch
Tierärztin für Tierverhaltenstherapie
www.tierpsychologie-muenchen.de